Fish, Chips, Schafe und ein alter VW T2 Camper
Einen solchen zu finden war zum Glück kein Problem: Ganz in der Nähe von Manchester vermietet Graham seinen Wagen. Privates Camper-Sharing also auch in England. Obwohl die Anfrage mehr als spontan kam, lief die Vermietung dank Graham sehr nett, schnell und flexibel - nur das Buchungsformular hat mich anfangs ein wenig verwirrt: Zum einen braucht die Versicherung meine letzte „Utility Bill“. Ähm. Die wollen meine Stromrechnung? Die Antwort auf meinen fragenden Blick lautete ganz einfach: zur Validierung meiner Person. Aha. Das erste Mal, dass ich froh war, Onlinerechnungen von meinem Stromversorger zu erhalten. Wie hätte ich sonst von England da ran kommen sollen? Zum anderen fehlte bei meinem eingescannten Führerschein die „paper section“. Zwei Emails später hatte ich gelernt, dass darin in England die Verkehrssünden eingetragen werden. Sorry, we don’t have this in Germany. We have Flensburg. ;-)Nachdem auch das geklärt war, fuhren Paola und ich Freitagabend zu Graham und DBL (spich Dibbl). Bei DBL, Grahams Camper handelt es sich nicht um irgendeinen Camper, sondern ein regelrechtes Schätzchen: Graham hat tatsächlich einen alten VW T2 Campervan aus den wilden Siebzigern, von denen es hier noch so einige geben soll. Nun bin ich schon oft mit verschiedenen Campern unterwegs gewesen, aber einen T2 habe selbst ich bisher nie gesehen. Umso mehr hat es mich dann fast umgehauen... DBL ist nämlich eine echte Schönheit: eine typisch zweifarbige Lackierung in blau-weiss, coolen Formen und dem unverwechselbaren Retrocharme, den diese alte Lady versprüht. F*** great! Graham hatte uns gleich in die Besonderheiten eines solch alten Fahrzeugs eingewiesen. Manches klang zum Anfang beängstigend, wie z. B. das nicht vorhandene Standgas in den ersten zehn Minuten. Aber hey... DBL ist 40 Jahre alt. Eine halbe Stunde später fuhren wir los... Richtung Wales! Keine zehn Minuten später hatte ich das Baby dann auch unter Kontrolle. Und der Spaß fing an...
Die erste Nacht verbrachten wir in der Nähe von Chester auf einem Campingplatz, natürlich im Regen. Schließlich sind wir ja in England. Diese Gelegenheit haben wir gleich genutzt, um auf Entdeckungstour innerhalb des Campers zu gehen: DBL ist mit Tisch, Gaskocher, Spüle, Geschirr, Tee und einer Kleenex-Box im Sixties-look super ausgestattet. Geschmackssache sind die nachträglich installierten LED Lichter, die rot, grün, blau oder farbig leuchten. „Für Pärchen...“, meinte er. Naja.
Am nächsten Tag hatten wir entlang der Küste ein nettes Plätzchen zum Frühstücken gefunden. Müsli und frischer Kaffee aus der Bordküche mit Blick aufs Meer – herrlich! Weiter ging's dann nach Conwy, einer kleinen schönen Stadt mit einem alten Schloss. Die Blicke sind uns schon am ersten Tag aufgefallen, aber an Tag zwei wurden sie noch deutlicher: überall freuten sich die Menschen mit uns über unseren Retro-Camper. Manche kamen auf uns zu und fragten uns aus, z. B. ob wir ihn selbst restauriert hätten. Irgendwie wusste jeder, was ein VW T2 Camper ist und was es bedeutet, damit übers Land fahren zu können.
Von Conwy fuhren wir dann einfach aufs Geradewohl in Richtung Inland, in den Snowdonia Nationalpark. Trotz des vielen Regens (Großbritannien!) konnten wir das Grün auf uns wirken lassen und dabei richtig entspannen. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir zum Teil mehr Schafen als Menschen begegnet sind. Die engen Kurven waren perfekt für ein tolles Fahrerlebnis mit DBL. In einem kleinen Ort haben wir Halt gemacht und lecker gegessen. Es gab Lammkeule aus der Region mit Couscous und Karotten und regionales Ale. Eine seltsame Mischung, die allerdings überragend geschmeckt hat. Den Abend verbrachten wir auf einer Farm an einem See zwischen... ja, Schafen! Ein traumhafter Ort. Natürlich war uns das Wetter wieder nicht so wohlgesonnen, aber mit Blick auf die zeltende Bevölkerung haben wir alles richtig gemacht. Als erstes hatten wir das Popup-Dach aufgestellt, sodass wir super im Camper stehen und kochen konnten. Den Rest des Abends entspannten wir und beobachteten das Unwetter um uns herum sowie die klitschnassen „Zeltgenossen“. Ja, voll gemein! ;-)
Der nächste Tag sollte eigentlich der Besteigung des Snowdonia Mountains gehören. Das Problem war nur, dass man in einem so bequemen Camper viel zu lange liegen bleibt. (Außerdem war im Handgepäck ohnehin kein Platz für Wanderschuhe.) Wach wurden wir allerdings schon sehr früh... vom Geblöke der Schafe, die sich rund um unseren Camper geschart hatten. Nach dem Frühstück hieß es erstmal wieder: fünf Minuten den Motor warm laufen lassen. Anstelle der Besteigung fuhren wir also einfach weiter durchs Land, hielten an schönen Orten an und genossen den Ausblick. Für mich war das Highlight ohnehin das Fahren mit dem Bulli.